пятница, 28 ноября 2014 г.

Russlanddeutsche

                     In der Bundesrepublik

 Im vereinigten Deutschland leben heute mehr als zweieinhalb Millionen Bundesbürger rußlanddeutscher Herkunft; somit stellen sie einen bedeutenden demographischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Faktor in diesem Land dar. Für ihr Selbstverständnis spielt die Erinnerung an die Unterdrückung und Verfolgung eine prägende Rolle. Dabei waren die Deutschen aus Rußland nicht nur Objekte staatlicher Politik, sondern traten auch als handelnde und bestimmende Personen auf, die Widerstand, Protest und Verweigerung
leisteten. Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, daß die deutsche Minderheit in der Sowjetunion und in der Bundesrepublik vornehmlich als Problem aufgefaßt wurde bzw. wird. In der Sowjetunion äußerte sich dies durch unzählige Beiträge in den Massenmedien, in Propagandabroschüren und wissenschaftlich verbrämten Schriften über das religiöse „Sektenunwesen“, dem eine große Zahl der „Sowjetbürger deutscher Nationalität“ verfallen seien. Auch warf man ihnen eine geringe gesellschaftliche Aktivität und mangelnde sowjetpatriotische Gesinnung vor. Vor allem die Emigrationsbewegung galt als Vorwand für die Beschuldigungen. Somit wurden geschickt Ursache und Wirkung vertauscht. Gleichzeitig mangelte es jedoch
nicht an Beiträgen und Berichten über erfolgreiche Kolchosvorsitzenden, Traktoristen und Schweinezüchterinnen, die beispielhafte Arbeitsleistungen vorwiesen. In Nachschlagewerken, historischen Darstellungen und vor allem in Schulbüchern, im Gesellschaftskundeunterricht wurde die Existenz dieses Volkes indes mit keinem einzigen Wort erwähnt. In den bundesdeutschen Medien werden die übergesiedelten Rußlanddeutschen ebenfalls überwiegend als Problemfaktor hervorgehoben: eine angeblich hohe Kriminalität, Gewaltbereitschaft, Arbeitslosigkeit, Gettoisierung, schlechte Deutschkenntnisse und mangelnde Integration sind dabei Begriffe, die am häufigsten fallen. Solche infantile Urteile erlauben sich manche Politiker und Wissenschaftler: „Ethnisch privilegierte Zuwanderer“, „die am schwierigsten integrierbare Gruppe“, „selbstgewählte
Abschottung“, „religiöse Segregation“, „kaum vorhandene kulturelle Nähe zur Aufnahmegesellschaft“, „autoritäre bzw. rechtslastige Vorstellungen“, „soziokulturelle Fremdheit in Deutschland“ und ähnliches mehr. Selbstverständlich gibt es in Deutschland in Bezug auf die Aufarbeitung ihrer Vergangenheit gewaltige Unterschiede gegenüber dem einstigen Sowjetstaat: so dürfen die Betroffenen über ihre persönliche Erlebnisse ungehindert berichten und schreiben, auch werden regelmäßig Monographien, soziologische Untersuchungen über historische und kulturelle Fragen und über die gegenwärtige Stellung der Volksgruppe in der Bundesrepublik publiziert. Aber es erfolgt eine geringe gesellschaftliche Teilnahme an ihrem Schicksal. Gesamt- und übergreifende Werke wie etwa die Reihe „Deutsche Erinnerungsorte“ berücksichtigen nicht ihre historischen Erfahrungen. Auch hierzulande wird im
Schulunterricht auf ihr Schicksal sehr selten eingegangen. Das 65. „Jubiläum“ des Regierungserlasses über die Auflösung der Wolgadeutschen Republik am 28. August 1941, der die bürgerliche Entrechtung und ökonomische Ausplünderung der deutschen Minderheit einleitete und schlechthin als unser nationaler Trauertag gilt, wurde in den hiesigen Medien kaum erwähnt und in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Das ist um so mehr bedauerlich, da die Bundesbürger rußlanddeutscher Herkunft inzwischen zu einem integralen Teil der deutschen Nation geworden sind. Dies läßt sich vor allem am Verhalten der zweiten (dritten…) Generation der Einwanderer feststellen: sie haben einerseits die rechtsstaatlichen Grundwerte der Aufnahmegesellschaft verinnerlicht und andererseits den Freiheitsdrang ihrer Eltern und Großeltern bewahrt. Vor allem das Thema Zwangsarbeit verdient umfassendere Beleuchtung. In Deutschland ist sie unzertrennbar mit der Leidensgeschichte von Millionen jüdischer und osteuropäischer Opfer verbunden.
In den Schulen werden Begegnungen mit Zeitzeugen organisiert, die ihr Wissen über die schrecklichen Jahre der nationalsozialistischen Diktatur an die jüngere Generation weitergeben und somit einen wichtigen Beitrag zu demokratischen und freiheitlichen Erziehung leisten. Die vergleichbaren Erlebnisse der rußlanddeutschen Zwangsarbeiter sind dagegen noch nicht in den Schulunterricht einbezogen worden, obwohl sich hier im Lande bereits Zehntausende Überlebende der sowjetischen Straf- und Zwangsarbeitslager befinden. Vor allem beim Thema „Geschichte der UdSSR“ würden ihre Lebenserinnerungen zum besseren Verständnis der stalinistischen Diktatur, der menschenverachtenden Praxis des Terrors, der Zwangarbeit, Verfolgung und Diskriminierung im sowjetischen Staat beitragen. Die Aktualität dieser Problematik ergibt sich auch aus der Tatsache, daß in vielen
Ortschaften und Städten der Anteil der Schüler aus Familien mit rußlanddeutschem Hintergrund bereits im zweistelligen Bereich liegt. Schließlich möchte ich daran erinnern, daß sich im Juli 2013 zum 250ten Mal die Verkündigung des berühmten Einladungsmanifests der russischen Zarin Katharina II. jährt, welche die eigentliche Geburtsstunde der rußlanddeutschen Volksgruppe markiert. Gleichzeitig hoffe ich, daß sich die deutsche Gesellschaft auch für diesen Teil ihrer Geschichte öffnet und anläßlich dieses Jubiläums ein sichtbares Zeichen der Erinnerung an das kollektive Schicksal der Bundesbürger rußlanddeutscher Herkunft in Form eines ihnen gewidmeten zentralen Dokumentationszentrums und Museums setzt

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